"Optische Trilogie" von Alfian Bin Sa’at

Heute war wieder großes Premierenkino auf der Theaterbühne des Theater...und so fort geboten. Alfian Bin Sa’ats Episodenstück „Optische Trilogie“ stand auf dem Spielplan. Jörn Mensching hat sich dieses Stoffes angenommen und mit Sarah Dorsel und Andreas Wunnenberg, frische Talente gefunden, die einen 70 Minuten lang in den Großstadtdschungel ziehen, den wir Leben nennen.
Dabei schlüpfen die hervorragenden Darsteller in jeweils drei verschiedene Rollen.
Episode 1 führt uns in ein Hotelzimmer im Großstadtpfuhl Singapur. Eine junge Frau trifft auf einen Callboy und der Seelenstriptease beginnt. Schicht für Schicht werden die Themen der Figuren abgeblättert, bis beide quasi nackt voreinander stehen.
Episode 2 läßt uns einen Blick in die Welt der Blinden und der Fotografie werfen, während wir dem Zusammenspiel eines sehbehinderten Models und ihres Fotografen zusehen.
Episode 3 führt uns in ein Lokal. Dort beginnt die Szene nachdem eine Frau einem schwulen Mann einen Heiratsantrag gemacht hat. Warum will sie ausgerechnet ihn heiraten? Wie stehen sie in Verbindung zueinander?

70 Minuten sind nicht lang. Sie sind auf keinen Fall lang genug, um Augenmerk auf drei Geschichten zu richten. So wirkt das Stück mehr wie ein Medley, das hart an der Oberfläche kratzt, jedoch aufhört, kurz bevor man den spannenden Kern erreicht. Aber vielleicht spiegelt genau diese Schein-Oberflächlichkeit das Leben wider, wann nehmen wir uns denn schon mal Zeit, den Dingen wirklich auf den Grund zu gehen?
Als Kritiker muss ich natürlich negative Punkte finden, wobei ich vorausschicken möchte, dass diese dem Vergnügen, dass ich bei der Vorstellung hatte nicht geschadet haben.
Der Text von Alfian Bin Sa’at schwenkt zwischen dramatischen und hochwertigen Inhalten und Banalitäten hin und her. Mal gibt es wahrlich denkwürdige Zitate, an anderer Stelle jedoch nur ein Fünkchen von geistreicher Schreibe. Aber auch das ist das Leben. Immer nur Goethe und Schiller ging schon bei Brecht nicht und der Groschenroman musste her.
Die Inszenierung von Mensching finde ich streckenweise sehr schwierig, um ein Beispiel herauszuziehen, sei der Einsatz von Videosequenzen hier angesprochen. Noch bevor die Episoden starten, gibt es auf einer großen Leinwand, sich wiederholende Sequenzen aus Asien und auf einem kleinen Bildschirm gespielte Interviews über Sextourismus in Singapur. Dies ging leider etwas unter. Wie einfach wäre es gewesen, das Setting auf dem kleinen Bildschirm zu etablieren, während man die Aufmerksamkeit der Zuschauer gleichermaßen auf die Interviews auf der Leinwand hätte lenken können. Aber vielleicht hätte ich dies auch nur als Appell an die Unaufmerksamkeit der Menschen sehen sollen.
Auch hätte ich den Videoeinsatz in der ersten Episode weggelassen. Er stört zwar beim Ansehen nicht, wirkt jedoch in der Rückschau verloren, da er – im Gegensatz zum Einsatz der Fotos – nicht in den anderen Episoden wiederholt wird.
Die Schauspieler waren ganz ausgezeichnet! Sarah Dorsel war kraftvoll uns zerbrechlich zur richtigen Zeit und Andreas Wunnenberg zeigte den Macho und den „Weichling“ im richtigen Maß. Zwischen den beiden klickt es auf der Bühne. Was in manchen Zwei-Mann-Stück nicht funktioniert – das Zusammenspiel, die Pausen, das Tempo – gelingt den beiden Schauspielern mit großer Leichtigkeit.
Besonders herausragend ist der gewalttätige Ausbruch in Episode 1, wenn man diesen den beiden verletzlichen Szenen („Die Rose“, „Der Phantomliebhaber“) aus der zweiten Episode gegenüberstellt.
Auch wenn das Wetter in den nächsten Tagen nicht nach Indoor-Tätigkeiten schreit, hat mich diese Post-it Produktion nicht zum letzten Mal gesehen und ich kann dieses Stück jedem nur ans Herz legen.
Es läuft noch vom 02.-04. und vom 22.-28. Juni 2011 im Theater...und so fort (Kurfürstenstr.8, München), jeweils abends um 20:00 Uhr.
Karten kann man auf http://www.theaterundsofort.de/ vorbestellen.

Ich empfehle es jedem und vergebe 9 von 10 Punkten.

Bildrechte: Theater...und so fort / Post-it Productions GbR

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