"Die Wilde Frau" von Felix Mitterer

Eine raue Winternacht mitten in den Bergen. Der Wind pfeift eisig um die kleine Hütte, in der fünf Holzfällerknechte nun schon seit Wochen abseits der Zivilisation leben. Jeden Tag die gleiche Arbeit, jeden Tag die gleichen Gesichter, jeden Tag das gleiche Essen. Doch an diesem Abend geschieht etwas Außergewöhnliches in der Gestalt einer jungen, schönen, jedoch stummen Frau, die sich auf dem Weg durch die Nacht zur Hütte verlaufen hat. Da es bitterkalt ist und die Männer fromme Christen sind, gewähren Sie dem Weib eine Unterkunft. Alle Männer legen sich ins Heu und doch hat die Erscheinung der Frau das Blut der Männer so in Wallung gebracht, dass es sie nicht dort hält, sondern ins Bett der Frau zieht. Ist sie nicht willig, so wenden sie Gewalt an, um sie sich gefügig zu machen. Schnell ist beschlossen, dass sie das Weibsstück nicht mehr gehen lassen. Zu Anfang geht dies auch gut, doch als die Stumme die Hütte verlassen will, wird sie von den Männern mit einer Kette im Haus gefesselt. Lediglich Wendl, der Jüngste unter ihnen, hat Gewissensbisse. Er ist auch der einzige, der sich nie an ihr vergangen hat. Lex, ein ehemaliger Zuchthäusler, verliebt sich in die Frau und möchte sie besitzen; dabei kommt ihm auf lange Sicht nur Much in die Quere, denn Jogg hat Frau und Kinder und Hias ist zu alt.
Die Atmosphäre wird hitziger und gewalttätiger. Eines Nachts kommt es bei einem Fluchtversuch zur blutigen Eskalation...

Das Licht geht aus, der Wind pfeift und es wird einem richtig kalt, so gut ist der Effekt, der durch simple Tontechnik erzielt wird. Nur wenige Minuten und man ist in dieser Hütte, friert mit den Menschen und kann nachvollziehen, wie es Ihnen nach Wochen der Einsamkeit geht. Der Dialekt ist anfänglich etwas gewöhnungsbedürftig, aber auch hier ist man schon nach ein paar Augenblicken drin.
Die Geschichte ist gespickt mit derben Witzen und schockierenden Tatsachen. Auf der Bühne wird, wenn auch von den Zuschauern durch ein Tuch verdeckt, eine Frau immer wieder missbraucht. Der Autor hat eine eindringliche Studie über das Zusammenleben von Männern in der Wildnis geschrieben und gezeigt, wie sich das Leben aller durch die Anwesenheit einer Frau verändert. Ein Schelm der hier sagt: " Eine Frau verdirbt den Charakter".
Die Besetzung ist fantastisch gewählt und wurde von Regisseurin Andrea Glanz-Schell pointiert in Szene gesetzt.
In der Rolle des Jogg brilliert ihr Mann Oliver Schell. Sein Charakter macht die vielleicht größte Wandlung durch, die er in jeder Minute glaubwürdig erscheinen läßt. Vom braven, bibeltreuen Vorarbeiter und Familienvater wird er zum gewalttätigen Fremdgänger, der nach einem anfänglich sehr anrührigen Monolog vor dem Zimmer der Frau auch nicht davor zurückschreckt, dieser Gewalt anzutun, wenn sie ihm nicht willig ist.
An seiner Seite agiert die fabelhafte Sarah Dorsel, die in ihrer Stummheit doch soviel zu sagen hat. Mit jeder Bewegung und jedem Blick gibt sie ihren Bühnenpartnern "Stichworte" und zieht die Zuschauer in ihren Bann. Dies ist eine Leistung, die nicht jeder Darstellerin so einfach von der Hand gegangen wäre, doch Dorsel füllt die Rolle mit mitreißender Intensität.
Die Lacher am Abend hat auf jeden Fall Richard Lindl auf seiner Seite, der als alter geiler Bock Hias dem Publikum einen Zwerchfellmuskelkater beschert. Doch auch er kann in diesem Stück mehr als nur eine Facette zeigen und überzeugt auch in den emotionalen Szenen.
Die Atmosphäre zwischen Lex und Much ist sehr wichtig und mit der Besetzung von Claus Maier als Lex und Raphael Kolley als Much hat Andrea Glanz-Schell einen Glücksgriff gelandet. Maier zeigt den derben Zuchthäusler, der während der Zeit hinter Gittern den Sinn für das Liebevolle verloren hat, diese Seite seiner Persönlichkeit jedoch durch das Mädchen wieder angerührt sieht, nur kommt ihm hierbei sein Stolz in die Quere und wird ihm zum Verhängnis. Als Gegenpart steht ihm Kolley in der Rolle des Much gegenüber. Seine Entwicklung erfolgt konträr zu Lex'. Der folgsame Holzfäller läßt das Tier im Manne raus. Dies zeigt sich besonders in den immer wieder aufgegriffenen Kämpfen zwischen den beiden, die verbal starten, dann aber doch schnell ins Körperliche übertreten.
In der kleinen Rolle des Wendl sehen wir einmal mehr Fabian Wittkowski. Konnte er mich in Goethes "Stella" nicht zu hundert Prozent überzeugen, hat er dies mit seiner Darstellung des sensiblen Halbwaisen unter groben Holzfällern nun geschafft. Er bleibt anfänglich sehr still. Mit der hitzigen Stimmung im Haus steigt auch seine Emotionalität. Seine verzweifelten Versuche, die Frau zu schützen gehen zu Herzen. Sein Blick, wie der eines verletzten Rehs, bleibt hängen. Ein junges Talent, von dem wir noch viel erwarten können.
Dass jedem im Ensemble der Raum gelassen wird, sein Talent zu zeigen, ist neben dem Autor vor allem der Regisseurin geschuldet, die ihre Darsteller zu Höchstleistungen antreibt.
Einziges Manko: Die Pausen zwischen den Szenen sind zu lang. Doch am Ende geht man trotzdem mit dem Gefühl nach Hause, großes Theater auf der kleinen Bühne gesehen zu haben.
Wer nun Lust bekommen hat, sich selbst in diese Berghütte zu begeben, der kann dies noch bis zum 26. November jeweils Freitags und Samstags tun.
Karten und nähere Infos gibt es hier.
Copyright Bilder: ArtRic Richard Lindl und Theater Bühne Berganger

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