Sugar

Mit der Süße von Zucker hat dieser Film wenig zu tun. Trotzdem, oder gerade deshalb, ist er es mehr als wert, hier erwähnt zu werden. Mit "Sugar" gelingt es Regisseur und Drehbuchautor John Palmer, sein Publikum in die etwas trostlose Dunkelheit der kanadischen Subkultur zu entführen...

Cliff ist gerade 18 geworden und seine Mum hat ihm, wie es so viele Mütter tun, das "perfekte" Geschenk zum Geburtstag gemacht - ein Skateboard der Marke trostlos bis uncool. Die Geburtstagsfeier wirkt auch mehr, als wäre sie für einen kleinen Jungen. Doch zum Glück hat Cliff seine zwölf Jahre alte Schwester Cookie, die ihm ein ganz persönliches Geschenk macht: Eine kleine Flasche Wodka, einen Joint und ein Bild mit der Aufforderung "Geh in die Stadt und hab Sex!". Wie von selbst trägt ihn sein neues Skateboard, auf Geheiß seiner Schwester, ins Stricherviertel von Toronto, wo er Butch begegnet, ein abhängiger Kerl, der sich mit dem Straßenstrich seine Drogen besorgt. Butch und Cliff teilen in dieser Nacht das Bett und schließen einen Pakt - sie werden Kumpel, die sich hin und wieder ein morgendliches Wettwichsen unterm Küchentisch liefern. Cliff zieht bei Butch ein und beginnt, wie er Drogen zu nehmen. Schnell merkt er, dass er durch kleine Gefälligkeiten, wie das Auspeitschen von Butchs Sugardaddy, auf problemlose Weise an Kohle kommt. Genauso schnell merkt er allerdings auch, dass er mehr für Butch empfindet als reine Freundschaft. Auch Butch, der hinter seiner harten Schale einen empfindsamen Kern verbirgt, spürt eine engere Verbindung zu Cliff. Doch welche Liebe ist größer in Butchs Leben? Die zu Cliff oder die zu den Drogen? An einem Abend nimmt Butch Cliff mit zu einem seiner Freier, der ein großer Spanner ist. Um ihm gefällig zu sein und so mehr Geld zu verdienen, vergewaltigt Butch Cliff, der ihm bis dahin blind vertraut hat. An diesem Abend begreift Cliff, dass Butch das Geld für seine Drogen immer wichtiger sein wird als er und Cliff verlässt ihn, ohne noch einmal zurückzublicken. Im Haus seiner Mutter unterzieht er sich einem kalten Entzug von den Drogen, die er konsumiert hat, aber vor allem von Butch. Monate später ruft Butch ihn wieder an und will ihn sehen. Er hat mittlerweile einen neuen Sugardaddy, nit dem er auch zusammenlebt und ist schwerer abhängig als je zuvor. Im absoluten Drogenrausch kommt es in der Wohnung von Butch zu einer folgenschweren Auseinandersetzung zwischen den beiden Freunden ...

John Palmer und sein Co-Autor und Produzent Todd Klink haben diesen Film, der auf einer Kurzgeschichte von Bruce La Bruce basiert, ohne viel Schnörkel umgesetzt. Wie bei Independent Filmen oft üblich, wurden die Szenen allesamt nicht im Studio gedreht, sondern vielmehr in den Wohnungen der Crew und in den Straßen von Toronto. Dies verleiht dem Film ein erhöhtes Maß an Authentizität, welches durch die Kameraführung und -auflösung noch unterstützt wird.
Besonders hervorzuheben sind die herausragenden Hauptdarsteller, deren eindringliches Spiel einen immer weiter hinab in den Strudel aus Drogen, Sex, Liebe und Gewalt zieht. Andrew Noble, der Cliff verkörpert, zeigt hier sehr viel Einfühlungsvermögen und es ist eine Tragödie, dass er bereits 2004 an einer Vergiftung starb und somit nicht mehr vollends zeigen konnte, was alles in ihm steckt. Brendan Fehr wächst in der Rolle des Butch über sich hinaus. Wer diesen Schauspieler bislang nur aus den TV-Serien "Roswell" und "Bones" oder Filmen wie "Dich kriegen wir auch noch" und "The Forsaken" kennt, wird von seiner Performance geradezu umgehauen. Wir sehen hier einen Darsteller, der innerhalb eines Films vom teils tollpatschigen Sidekick zum glaubhaften Charakterdarsteller gereift ist. Wäre "Sugar" ein Millionen-Blockbuster, würde das Spiel von Fehr in diesem Film wohl besser als Leonardo DiCaprios in "Jim Carroll" bewertet werden. Er ist aber kein Blockbuster und so ging es dem Film wie so vielen Independentfilmen: er ist in den Unweiten des Filmmeeres untergetaucht und kann nur von denen gefunden werden, die danach suchen. Aber glaubt mir, diese Suche lohnt sich, denn man taucht mit einer ganz besonderen Filmperle wieder auf.
Für mich eindeutige 8 von 10 Punkten und der Hinweis, dass man am besten auf der "Amazon" anheuert, um diesen Schatz zu bergen.
Alle in diesem Post veröffentlichten Bilder unterliegen dem Copyright der GM Films, 2005.

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